Ein entfesseltes Deportivo schlägt Morgenstern 5-1
Als du Sonntag früh in die hellblaue Depo-Hose steigst und die Bösen in Burgdorf gerade zum fünften Gang greifen, denkst du, das ist das letzte Mal heuer und – wer weiss in deinem Alter – auch das letzte Mal überhaupt. Zehn Spieler sind angemeldet, ein Goalie fehlt, letzten Sonntag ging dein Team 0:8 unter. Ein letztes Saisonspiel, bringen wirs hinter uns.
Kurz vor zehn Uhr haben sich erst vier Deportivos auf Platz elf eingefunden, einer noch in Alltagsklamotten, zwei schnüren noch die Schuhe, während gegen fünfzehn Morgensterne, offensichtlich hellwach und motiviert, am Einspielen sind. Einer der «Warum tue ich mir das an?»-Augenblicke. Das wird bitter – falls das Spiel überhaupt angepfiffen wird.
Es wird. Und weil Captain Miro auf Platz 7, wohin er sie fälschlicherweise beordert hatte, noch Spieler auftreiben konnte, sind wir plötzlich gar zu zwölft. «Elf Depos sollt ihr sein!», hatte er gefordert, zwölf waschechte Depos sind gekommen. Dazu gesellt sich als Gast kurz nach Spielbeginn Florians Kollege Simon – und als aus dem tiefen Thurgau auch noch Romeo angereist kommt, bereit für seinen ersten Saisoneinsatz, keimt so etwas wie Hoffnung auf, dieses Team könnte doch noch nicht am Boden liegen. Aber bleiben wir realistisch: Yann ist auf der Reise nach Apulien, die Teamstützen Vögi und Oklé weilen zur Vermählung von Kamerad Jenni im Engadin, Tihi bleibt fern, weil er sich irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen, wie auch immer, «eine Zerrung geholt hat».
Und Morgenstern geht plangemäss in Führung; Aushilfsgoalie Flo Keller ist machtlos. Wars das? Gibts eine erneute Demütigung? Nein. Miki gleicht mit einem Hammerschuss aus, Depo kämpft, Depo rackert, Depo hat sich noch nicht aufgegeben. Hinten stehen Schumms, Fisch, ein über sich hinauswachsender Reto und Pascal wie ein Mann, vorn wirbeln Rico, Simon, Gregi, Benno und Miki. Da ist es wieder: das Depo-Herz. Es pocht. Romeo fügt sich ein, als wäre er nie weggewesen. Dann gelingt dir nahe der Mittellinie die Balleroberung, du spitzelst den Ball nach vorn, wo Rico aufs Lässigste zuerst den letzten Verteidiger und dann den Torwart umkurvt und zum 2-1 einschiebt. Träumst du?
«Vielleicht», sagt der überraschte Captain in der Pause, «können wir die sogar schlagen?» Wir können. Depo übersteht nach dem Wechsel eine trotzige Druckphase des Gegners, beginnt das Spiel rasch wieder zu dominieren, drückt unablässig und zwingt Morgenstern – das sich nicht etwa aufgibt, sondern bis zuletzt aufbäumt – mit souveränem Kurzpassspiel in die Knie. Unsere gefühlt beste Saisonleistung! Diszipliniert, engagiert, leidenchaftlich. Gregi und Gast Simon erhöhen auf 4-1, zuletzt darf sich gar der aufgerückte Reto als Torschütze einschreiben, derweil Simon Sigg, unser Goalie nach der Pause, ungeschlagen bleibt. Hey, wir haben Morgenstern 5-1 bezwungen, die Sonne scheint, das Leben ist schön – Märchen werden wahr.
Bis nächsten Sonntag, wenn es wieder heisst: Elf Depos müsst ihr sein! Und auf dem Heimweg denkst du: Dieses Team macht mächtig Lust, noch eine Saison anzuhängen.
Bänz Friedli